(Fortsetzung der Februar-Kolumne)
Streiten wir über den richtigen Weg!
Fakt ist, dass DIE Politik und DIE Medizin längst nicht alles richtig machen. Fakt ist aber auch, dass wir alle uns längst nicht immer richtig verhalten haben. Fakt ist schließlich auch, dass wir diese Pandemie nur dann meistern werden, wenn wir gemeinsam vernünftig bleiben. Wir dürfen Toleranz und Eigenverantwortung nicht nur predigen, wir müssen sie auch leben. Wir müssen streiten über das richtige Vorgehen. DIE Politik – dieses Mal gebrauche ich die Pauschalisierung sehr bewusst – braucht eine Lernkurve in Sachen Kommunikation und Politikvermittlung. Es kann nicht sein, dass Parlamente gerne mal ausgeklammert werden, wenn es gilt, wichtige Entscheidungen zu treffen. Es kann nicht sein, dass am Tag eins neue Maßnahmen, die zuvor zwischen Bund und Länderchefs mühsam ausgehandelt worden waren, verkündet werden, aber schon am Tag zwei sich einzelne Länder von der zäh erarbeiteten Kompromissformel wieder verabschieden. Mögen das einzelne auch als Stärke des Föderalismus sehen, ich sehe es viel eher als Kommunikationskatastrophe an. Oder, noch schlimmer, als Teil einer Profilierungsstrategie. Wobei ich das durchaus auch gleich wieder relativieren will; denn keine oder keiner der Ministerpräsidenten/innen macht gerne, was sie/er derzeit machen muss. Corona-Politik ist spaßbefreit und bringt nichts außer Ärger und Liebesentzug. Viel leichter tun sich da all diejenigen, die nicht Verantwortung tragen – aber gerade deshalb leidenschaftlich kritisieren und aus der Hüfte schießen. Allerdings muss Politik auch den Mut haben, auf die Mitwirkung der Menschen zu setzen und auf die Eigenverantwortlichkeit aller setzen.
Und nun?
Stellt sich also die Frage, wie es weitergehen soll. Wie kommen wir tatsächlich raus aus dem Schlamassel? Ich habe da ein klares Bild. Und das beginnt nicht bei irgendwelchen anderen, sondern bei uns selbst:
- Wir alle müssen die AHA-Regeln einhalten und solange vernünftig bleiben, bis all jene, die geimpft werden wollen, auch geimpft sind.
- Eine Impfflicht darf und wird es nicht geben. Und das ist gut so. Allerdings muss uns auch klar sein, dass das die Vernunftphase für alle zwangsläufig verlängern wird.
- Dass es an Staatsgrenzen zu verschärften Maßnahmen kommen muss, erscheint mir unabwendbar. Auch wenn das nervig ist vor allem für Pendler, aber auch für Geschäftsleute.
- Die Politik vor Ort, im Land und im Bund muss ihre Hausaufgaben machen. Genügend Impfstoffe beschaffen, die Impf-Logistik sicherstellen, ordentliche Rahmenbedingungen festlegen. Und vor allem: klar und deutlich kommunizieren, was Sache ist.
- Dass wir alle uns verlässliche Fahr- und Zeitpläne aus der und für die Krise wünschen, ist verständlich, aber wohl leider nicht machbar, solange Inzidenzwerte in rekordverdächtigen Rekordhöhen an der Tagesordnung sind. Wenn das aber so ist, dann sollten Maßnahmen befristet und eingehalten werden, anstatt sie schon nach kürzester Zeit wieder zu hinterfragen.
- Wir müssen solidarisch bleiben. Und vor allem jene schützen, die besonders anfällig sind für das tödliche Virus und seine noch fürchterlicheren Abarten. Also: Besonderer Schutz für Alten- und Pflegeheime, besondere Rücksichtnahme auf alle älteren Menschen. Aber bitte nicht zu Lasten der Menschlichkeit. Die Alten wegzusperren, damit die Jungen feiern können, das geht gar nicht.
- Die Schulen und alle übrigen Bildungseinrichtungen müssen baldmöglichst wieder zum Normalbetrieb zurückkehren. Damit die Kinder und Jugendlichen nicht zu Verlierern der Pandemie werden. Allerdings setzt das neben einer vorausschauenden Bildungspolitik (Ländersache!!) und geeigneten Hygienekonzepten (Sache der jeweiligen Schulen) auch die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer und der Eltern voraus, alles zu tun, damit das Virus nicht schnell wieder wuchert. Wobei an dieser Stelle den Lehrern durchaus mal ein pauschales Lob gebührt. Die allermeisten machen in der Krise einen tollen Job.
- Die Gastronomie, die zu den großen Verlierern der Krise gehört, braucht verlässliche Perspektiven – und eine rasche und verlässliche Ausreichung von Corona-Ausgleichszahlungen. Die überwiegende Mehrheit der Gastronomen wird nichts lieber tun, als unter Einhaltung auch der strengsten Hygienekonzepte, die ja in den Schubladen liegen, endlich wieder für die Gäste da zu sein. Wenn es der Politik nicht gelingt, hier rasch und verlässlich zu handeln, dann werden im Bereich Gastronomie mit immerhin knapp 2,5 Millionen Beschäftigten (vor der Krise), unzählige Familien, Betriebe und Gesellschaften nicht mehr zurück in die Erfolgsspur finden. Die Folgen? Arbeitslosigkeit, Vernichtung von Existenzen, Kneipensterben.
- Betroffen sind in hohem Maße auch Kulturschaffende aller Art. Musiker, Schauspieler, aber auch Bühnentechniker, Roadies, Maler, Konzertveranstalter, Kultureinrichtungen und, und, und. Auch hier gilt: Sobald es verantwortbar ist, lasst sie wieder auf die Bühne! Sie werden selbst darauf achten, dass nichts aus dem Ruder läuft. Wer freilich bewusst gegen weiter bestehende Auflagen verstößt, sollte – im Interesse der vernünftigen Mehrheit – dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Das wollen im Übrigen auch die Vernünftigen.
- Ähnliches gilt für den Handel: Es muss in Kürze wieder weitergehen. Geschäfte mit entsprechenden Hygienekonzepten sollten bald wieder aufschließen dürfen. Sonst werden längst nicht alle Händler den Langzeitlockdown überleben. Dann liegt es an uns allen, Kunden und Händlern, die Spielregeln einzuhalten. Bis dahin freut sich jeder Händler, jeder Gastronom und jeder Künstler/Veranstalter darüber, wenn wir ihnen die Treue halten und beispielsweise über „click&collect“ lokal einkaufen.
Wir schaffen das!
Na klar, auch diese Debatte nervt. Aber sie muss geführt werden. Bleiben wir gelassen – trotz Homeschooling, trotz eingeschränkter Möglichkeiten, trotz zusätzlicher Belastungen in der Familie, trotz finanzieller Probleme. Unterm Strich nämlich bedeuten die Einschränkungen, die zur Eindämmung der Coronakrise nun mal erforderlich sind, zwar ein Ärgernis, aber eben keine Freiheitsberaubung. Und schon gar keinen Angriff auf die Demokratie. Wir sind längst auf dem Weg zurück zur Normalität2.0.
Wir schaffen das!
Zur Person
Gert-Dieter Meier (64) ist seit mehr als 35 Jahren Journalist – vor allem im Bereich Kommunalpolitik und Kultur – unterwegs. Seit 1. Mai gehört er als Unabhängiger dem Bayreuther Stadtrat an. Für bayreuth4U beleuchtet Meier in seiner monatlichen Kolumne das Geschehen in Bayreuth.