Wenn’s ums Energiesparen geht sind wir alle gefordert

Je mehr mitmachen, desto besser meistern wir die bevorstehende Eneregiekrise – Stadt legt erste Sparvorschläge vor, aber auch die Bürgerinnen und Bürger sollten sich einbringen. Nur eines darf nicht passieren: Dass dieser Winter die Gesellschaft spaltet.

Von Gert Dieter Meier

Mal ehrlich: kaum jemand hätte es doch vor ein paar Jahren für möglich gehalten, dass wir uns in Deutschland ernsthaft Gedanken machen müssen, ob wir in diesem Winter lieber kalt duschen, den dicken Pulli im Wohnzimmer anbehalten oder uns den Skiurlaub sparen, weil wir sonst womöglich die Gasrechnung nicht mehr zahlen können.

Und doch werden wir alle uns solche und viele andere Fragen stellen müssen. Deutschland steckt in der Sinnkrise. Wir alle haben noch die Langfrist-Folgen der Corona-Pandemie zu verdauen. Wir alle spüren, dass der Klimawandel uns in vielen Bereichen zum Handeln zwingt. Und wir alle wissen auch ganz genau, dass wir gar nicht anders können als uns solidarisch zu verhalten mit der freien Welt wenn es darum geht, Druck zu machen auf Putins Machtapparat, damit dieser nicht mit seiner blutigen und völkerrechtswidrigen und menschenverachtenden Strategie durchkommt, mal eben ein Land zu besetzen, das sich nicht länger knebeln lassen sondern in Freiheit und Unabhängigkeit leben will. Richtig ist aber auch, dass diese Solidarität einen hohen Preis hat. Wenn Russland den Gashahn zudreht, weil Europa die Kriegstreiber mit Sanktionen bestraft, dann trifft das vor allem Deutschland. 

Je näher der Winter kommt, desto deutlicher wird uns allen, dass dies kein gewöhnlicher Konflikt zwischen der Bundesregierung und dem Kreml ist, das man mal eben mit diplomatischer Finesse still und heimlich aus der Welt schaffen kann, sondern ein bitterernstes Thema, das uns alle angeht. Ein Thema, das an die Substanz geht. Eine Gemengelage, in der nicht allein „die da oben“ gefragt sein werden, sondern wir alle. Auch wir in Bayreuth, in Hummeltal oder Fichtelberg. Im Umkehrschluss könnte man also sagen, dass wir dieses Problem nur dann gemeinsam schadlos überstehen werden, wenn wir alle alles geben. Da kann sich niemand rausreden oder rausmogeln.

Was das bedeutet? Dass wir nicht nur darauf warten sollten, was nun die Stadt, der Landkreis, der Freistaat, die Bundesregierung oder unsere Nachbarn anstellen, um möglichst viel Gas einzusparen, sondern dass wir selbst Ernst machen mit dem Sparen. Es bringt niemanden um, die Heizung um ein, zwei Grad runterzudrehen, den Warmwasserhahn zuzulassen oder mal, für eine bestimmte Zeit, nicht jeden Tag die Wanne volllaufen zu lassen mit heißem Wasser. Auch das Licht muss nicht immer überall brennen; und den Fernseher kann mal auch mal aus dem Standby-Modus entlassen. Und ja: Auch das Auto könnte man für private Kurztrips gerne mal in der Garage stehen lassen, wenn man sein Ziel auch mit dem Bus erreichen kann.

Wenn wir alle diese und viele anderen naheliegenden Energiespartipps beherzigen, ist schon viel erreicht, ohne dass irgendein Zwang ausgeübt werden braucht. Je kreativer wir alle – und das meint ausdrücklich auch die Wirtschaft – beim Sparen sind, desto weniger Regelwahn braucht es. Gleichwohl wird das nicht reichen, um die Gasspeicher randvoll zu befüllen und so der Energiekrise im Winter zu trotzen. Deshalb werden auch die Kommunen nicht umhinkommen, ihre Spar-Hausaufgaben zu machen. Die Stadt Bayreuth hat ihre Dienststellen schon mal aufgerufen, Ideen einzubringen, wie man sparen könnte. Gut so! Und obwohl es sich im Moment um nichts anderes handelt als um einen Liste von Ideen, will der KURIER schon wissen, wohin die Reise gehen wird, indem er unlängst titelte „Bayreuth wird kälter und dunkler“.  Ob es am Ende wirklich kälter und dunkler wird im Städtla, wird sich zeigen. Fakt ist, dass uns viele der Maßnahmen, die im Raume stehen, betreffen, tangieren, stören oder auch ärgern werden. Weil auf den Listen eben auch Vorschläge wie diese auftauchen: Warmwasser abstellen in städtischen Gebäuden und Schulen, Kalte Duschen in den Sportstätten, Reduzierung der Raumtemperaturen in städtischen Gebäuden auf die gesetzlich möglichen Mindesttemperaturen, Abschaltung/Reduzierung von Klimageräten und Lüftern, Reduzierung der Wassertemperaturen in Bädern, keine Beheizung des Außenbeckens in der Lohengrintherme, keine Beheizung der Tribüne

des Eissportstadions, Schließung kleinerer Museen und Gedenkstätten von November bis Februar, Verzicht auf nächtliche Beleuchtung von Sehenswürdigkeiten ab 21 Uhr, Reduzierung der Straßenbeleuchtung außerhalb des Stadtzentrums, Abstriche bei der Weihnachtsbeleuchtung oder auch eine vorübergehende Schließung des Stadtbades oder des Bades am Graf-Münster-Gymnasium.

Was die Stadt noch tun könnte? Sie könnte ihre Bürgerinnen und Bürger zu kostenlosen Energiesparseminaren einladen, gemeinsam Partnern wie mit dem Landkreis, der Regierung oderden Stadtwerken Informationsblätter entwickeln, womit man am effektivsten spart und was besonders schnell geht  oder umzusetzen wäre. Und natürlich könnte die Stadt auch, sofern das Geld hierfür vorhanden ist, selbst Anreizsysteme für Ihre Bürgerinnen und Bürger einführen.

Festzuhalten ist: Das alles sind bislang nur Vorschläge, beschlossen ist noch gar nichts. Und es ist auch davon auszugehen, dass die einzelnen Stadtratsfraktionen oder auch Bürgerinnen und Bürger hoffentlich noch Vorschläge einbringen werden, wie und wo man sinnvoll und effektiv sparen könnte. Im September soll dann das weitere Vorgehen diskutiert und beschlossen werden. Dann geht es ausnahmsweise mal nicht um die Einsparung von Millionen von Euro zum Wohle der Stadtkasse, sondern um Grad, Kilowatt und Energieeffizienz.  Aber vielleicht nehmen wir uns für die bevorstehende Debatte einfach mal vor, dass wir die notwendigen Gespräche nicht mit Schaum vor dem Mund führen, sondern mit Vernunft, in Ruhe und mit der notwendigen Ernsthaftigkeit.

Eine ganz wichtige Aufgabe für Bund, Freistaat und Stadt sehe ich darin, dass die öffentliche Hand sehr genau darauf achtet, dass in diesen herausfordernden (und teuren!) Zeiten vor allem Geringverdiener, Alleinerziehende, alte Menschen und (kinderreiche) Familien, die schon jetzt kaum noch über die Runden kommen, nicht hängen gelassen werden. Der Sparzwang darf nicht zu einer gesellschaftlichen Spaltung führen zwischen denen, für die Sparen zwar lästig oder ärgerlich ist, aber eben kein wirkliches Opfer, und den anderen, die schon jetzt jeden Euro zweimal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben können. Denn viele dieser Menschen können gar nicht mehr sparen, als sie es jetzt schon tun; gerade sie brauchen deshalb den besonderen Schutz der öffentlichen Hand und unser aller Solidarität. Wenn wir das nicht hinbekommen, treiben wir die Verzweifelten nämlich ausgerechnet den Populisten in die weit ausgestreckten Arme, die ihnen zwar ganz bestimmt nicht helfen, aber abwechselnd mit dumpfen (nationalen) Parolen, blumigen Versprechen oder schöngefärbten Worten suggerieren, dass sie es schon täten, wenn man sie denn ließe. Nein, Spaltung, Ausgrenzung und rechte Ideologien vergrößern nur das Problem. Und Proteste auf der Straße sind zwar legitim, aber auch sie helfen am Ende nicht weiter. Vielmehr braucht es, wie in jeder schwierigen Lage, vor allem einen gesamtgesellschaftlichen Schulterschluss der Vernunft, auf den sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam und verbindlich verabreden.

Es geht – bei uns – nicht um einen Krieg, sondern um eine Energiekrise in Folge eines Krieges, die wir mit gutem Willen, kluger europäischer Politik und entschlossenem Handeln von uns allen natürlich gut überstehen können und werden. Aber es geht auch darum, dass wir nicht nachlassen dürfen in unserer Solidarität mit der Ukraine, die von einem menschenverachtenden Krieg in ihrer Existenz bedroht wird. Und das nur ein paar Hundert Kilometer von uns entfernt. Diese Solidarität ist weder Luxus noch Spinnerei. Diese Solidarität ist, auch wenn sie halb Europa in die Bredouille bringt, ist Menschenpflicht.

Info: Wer sich schon mal schlau machen mag über ganz praktische Möglichkeiten der Energieeinsparung wird hier fündig: https://www.energiewechsel.de/KAENEF/Navigation/DE/Home/home.html

Sie haben Anmerkungen oder Ergänzungen zu diesem Text? Schreiben Sie mir: gdmeier@web.de

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