Erinnert sich noch jemand an den herrlichen Satz „Der ist bei der Sitte“? Kein Krimi kam früher ohne sie aus: die Sitte. Diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen sind Hunderttausende bei der Sitte, ganz ohne Krimi und Polizei. Die deutsche Moral ist so gut bewacht wie nie zuvor. Vier Fünftel aller Tweets werden aus sittlicher Überlegenheit getippt, die andere Hälfte kommt mit der Moralkeule daher und der Rest schwärzt die Mörder:innen an, die während einer Pandemie ein Buch auf einer Parkbank lesen. Welch ein fantastisches Klima für Satire! Das meint zumindest Mathias Tretter, dessen aktuelles Programm „Sittenstrolch“ den Bedenkenträgern einen Zeigefinger entgegenhält. Seit 2003 versorgt der in Würzburg geborene Autor und Kabarettist das Land mit intelligenter, politischer Satire – mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Kleinkunstpreis. Neben seiner Solokarriere war er von 2004 bis 2014 zusammen mit Philipp Weber und Claus von Wagner Teil des Ersten Deutschen Zwangsensembles.
Mathias Tretter, Bechersaal, 9.3., 20 Uhr