Punktsieg für die Tradition

Fußball ist ein Milliardengeschäft. Nach Angaben der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) erwirtschaftete allein die 1. Bundesliga in der Saison 2018/19 einen Rekordumsatz von rund 3,8 Milliarden Euro. Und wer bei diesem Spiel in der Spitze mitspielen will, der muss knallhart unternehmerisch denken und handeln, jede Menge Auflagen der Liga erfüllen und am besten die gerne gepriesene Fußball-Romantik ganz tief unten in der Schreibtischschublade vergraben.

Zugegeben, das ist ein stückweit Schwarzmalerei. Aber tendenziell geht es genau in diese Richtung. Die Professionalisierung des Sports lässt die großen Verbände und Vereine immer größer, teurer und medial wichtiger werden, während die kleineren Vereine kaum noch hinterherkommen, wenn es gilt, immer wildere Auflagen zu erfüllen. Und das ist beileibe nicht nur im Fußball so. Auch bei Basketball, Eishockey oder Handball erleben wir zunehmend eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Die dicken Geschäfte machen die Hauptstadtclubs, während die kleineren Vereine immer häufiger Probleme bekommen sportlich und wirtschaftlich mitzuhalten. Weil die Medien Einschaltquoten und Werbemillionen vor allem mit den Branchenprimussen machen, weil die reichen Clubs dann auch die aberwitzigsten Ablösesummen für Topspieler bezahlen und solcher Wahnsinn sich am Ende auch noch rechnet. Wo das noch hinführen soll? Gewiss nicht in eine neue Phase der Rückbesinnung auf alte Tugenden.

Auch ein paar Ebenen weiter unten geht es längst auch um viel Geld. Um Wahrnehmung. Werbeeinahmen und Sponsoring. Und um unternehmerischen Wagemut. Denn jedes Investment beispielsweise in den Profifußball ist auch eine Wette mit unbekanntem Ausgang. Schließlich kann man einen Aufstieg nicht verlässlich planen. Aber man kann alles tun dafür, dass die Voraussetzungen geschaffen sind, ihn zu meistern.

Das haben die Verantwortlichen der Spielvereinigung Bayreuth getan. Sie haben langen Atem bewiesen, viel Mut und Engagement. Und sie haben viel Geld investiert dafür, dass die Oldschdod nach 22 Jahren jetzt endlich wieder im Profifußball mitmischt. Und das in der dritthöchsten Liga, die gespickt ist mit großen Namen früherer Jahre: 1860 München, Kaiserslautern, Eintracht Braunschweig, Waldhof Mannheim, Rot Weiss Essen, MSV Duisburg, 1. FC Saarbrücken und, und, und.

Das Unternehmen Wiederaufstieg war alles andere als ein Kinderspiel – und am Ende auch, bei aller Souveränität und Leidenschaft, die die Mannschaft unter Timo Rost in dieser Saison an den Tag gelegt hat, ein stückweit glückliche Fügung. Weil das Meistermacher-Management mit Dr. Wolfgang Gruber und Christian Wedlich an der Spitze zur richtigen Zeit „all in“ gegangen ist. Sie haben alles auf eine Karte gesetzt. Sie haben mit Timo Rost den richtigen Trainer für diesen Verein verpflichtet. Und gewonnen. Auch, weil der FC Bayern II, die potenzielle Über-Mannschaft auch in der Regionalliga mit einem Kader-Marktwert von rund 13,65 Millionen Euro (zum Vergleich: der Kader der Spielvereinigung steht mit einem Marktwert von 2,28 Millionen Euro zu Buche) über eine lange Saison hinweg die PS nicht auf die Straße gebracht und auf hohem Niveau geschwächelt hat. 

Das alles freilich wäre nie geglückt, wenn sich die Altstadt nicht ihres größten Wertes besonnen hätte – der unglaublichen Tradition dieses Vereins, der sich einer nunmehr über hunderteinjährigen Tradition rühmen kann. Am 23. Juli 1921 gründeten etwa 20 junge Sportkameraden in einem Nebenzimmer der Gaststätte „Bamberger Hof“ (an der Stelle des heutigen „Frisco“) im Turn- und Sportverein Bayreuth-Altstadt eine Fußball-Abteilung. Zu Duellen mit den bereits bestehenden Vereinen 1. FC und VfB kam es aber erst einmal nicht. Der Grund: Anders als die bürgerlichen Konkurrenten, die unter dem Dach des DFB spielten, gehörte die Altstadt als sprichwörtlicher „Arbeiterverein“ dem Arbeiter Turn und Sportbund (ATSB) an (Quelle: Uwe Glaser, dessen 800-seitiges Altstadt-Buch in diesem Sommer erscheinen soll). Der Kult um diesen Verein, der nun auch ein eigenes Museum vorweisen kann, ist nicht nur geblieben, sondern gewachsen. Bei der nachgeholten 100-Jahr-Feier kürzlich im Reichshof wurden die Großen der Altstadt-Vergangenheit gefeiert wie Popstars. Man zieht den Hut vor den Größlers, Semmelmanns, Breuers, Dittwars, Mahrs und Zeitlers , um nur einige zu nennen. Und ohne diese Verbundenheit aus der Fan- und Unterstützerszene, ohne diese Rückbesinnung auf die alten Recken und Tugenden, wäre das Unternehmen Aufstieg wohl nie geglückt.

Die Altstadt hat mit ihrer Geschichte und ihren Erfolgen das erste bedeutende Kapitel der Geschichte der Sportstadt Bayreuth geschrieben – deutlich später, nämlich in den 1970er Jahren, begann dann die zweite Erfolgsgeschichte – die des Basketballs, die den Anhängern

dieser rasend schnellen Sportart unendlich viele spannenden Momente, verbunden mit großen Siegen und bitteren Niederlagen, bescherte. Heute bilden Basketball (1. Bundesliga) und Fußball (3. Liga), Eishockey (DEL2) und HaSpo (3. Liga Handball) die Pfeiler der Sportstadt Bayreuth – ein  Portfolie, das für eine Stadt der Größenordnung Bayreuths alles andere als selbstverständlich ist.

Die Stadt hat die Marke Sportstadt Bayreuth in der Vergangenheit ­– abhängig von der Sport-Leidenschaft des Oberbürgermeisters/der Oberbürgermeisterin – mal mehr, mal weniger leidenschaftlich gestützt. Thomas Ebersberger ist nicht erst seit seiner Wahl zum Oberbürgermeister ein bekennender Unterstützer des Spitzen- und den Breitensports. Und er hat auch dann, als es trotz klammer Kassen um viel Geld ging und ihm gehörig Gegenwind ins Gesicht blies, Flagge gezeigt und Klartext gesprochen. Er hat die Notwendigkeit der Sanierung der Bayreuther Sportstätten nicht nur betont, sondern zur Chefsache gemacht. Er ist offen für die Idee eines Basketball-Jugend-Leistungszentrums und anerkennt grundsätzlich die Notwendigkeit der energetischen Sanierung des Eisstadions. Insofern ist es auch sein Verdienst, dass die Spielvereinigung Bayreuth sich bald schon im DFB-konformen Hans-Walter-Wild-Stadion gegen Topvereine aus ganz Deutschland messen kann. Auch auf beheizbarem Rasen und unter Flutlicht, mit saniertem Tribünen-Gestühl und unter Einhaltung aller geforderten Sicherheitsvorkehrungen. 

Bayreuth ist zurück im Profifußball. Mit einem Verein, der nach vorne schaut, aber nicht nur Gewinnmaximierung anstrebt. Der erfolgreich sein will, aber auch, gemeinsam mit seinen Fans, Werte lebt, die einer ganzen Stadt guttun. Werte wie Fairness, Wertschätzung, Zusammenhalt, Tradition. Dass ein solcher Verein mit einer so großen Tradition im Gepäck einen zweiten (oder dritten?) Frühling erlebt, das ist die beste Nachricht für alle Sportfans. Danke dafür an alle Macher und Fans dieses Aufstiegs.

Von Gert Dieter Meier 

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