Fahrradfahrer erwarten von Autofahrern Rücksicht. Sie selbst aber gefährden nicht selten Fußgänger. Das passt nicht zusammen. Dabei ließe sich das Problem sehr einfach lösen. Wenn wir alle etwas mehr Rücksicht nehmen würden auf die Fußgänger. Findet Gert Dieter Meier in seiner neuen Kolumne „Stadtparkett“
Wofür steht Bayreuth? Die einen werden sagen – na klar, für Wagner! Oder neuerdings auch für barocke Pracht (Opernhaus, Bayreuth Baroque). Andere werden mit dem Namen der Stadt vor allem Fußball (Oldschdod!), Basketball oder Eishockey verbinden. Bayreuth steht auch für eine Universität, die regelmäßig Spitzenplätze bei Uni-Rankings absahnt. Und dann wären da noch, auch nicht zu unterschätzen, die Triple B-Faktoren: Bier- und Brotvielfalt sowie Bratwurst-Kompetenz.
Wenn es freilich um den Ruf Bayreuths als Radlerstadt geht, dann wird man Spitzennoten vergeblich suchen. Das zeigt einmal mehr und auf eindrucksvolle Art und Weise der ADFC-Fahrradklima-Test, mit zwischenzeitlich 245.000 Teilnehmern bei der Umfrage 2022 eine der weltweit größten Befragungen zum Radfahrklima. Die 616 Teilnehmer verpassten dem Radverkehr im Städtla die Schulnote 4,0. Vor allem in der Kritik: Die Verkehrsführung an Baustellen (Note 4,6), Fahrradmitnahme im ÖPNV (4,9) sowie öffentliche Fahrräder / Fahrradverleih (5,1). Mit 2,7 die Bestnote vergaben die Radler für die Erreichbarkeit der Innenstadt.
Und das aus gutem Grund. Denn in Bayreuth kann man nicht nur bis zur Innenstadt radeln, sondern sogar mitten durch die wunderbar breite Fußgängerzone fahren. Das ist in einer Reihe anderer Städte verpönt oder gar verboten, in Bayreuth aber seit Jahren erlaubt. Auch wenn man wohl eher, aus Sicht der Fußgänger, sagen sollte: geduldet.
Formal gilt in der Innenstadt in den meisten Bereichen, in denen Fußgänger unterwegs sind, Schrittgeschwindigkeit. Das steht auch so, amtlich korrekt und dennoch viel zu klein, an den Eingangsbereichen. Wer beispielsweise die Brücke über den Roten Main überquert, um anschließend via ZOH in die Innenstadt zu gelangen, der muss schon genau hinschauen, um das Schild „Schrittgeschwindigkeit“ zu entdecken.
Es braucht mehr und vor allem: bessere Informationen für die Radler!
Allerdings kann dieses Manko, das von jenen Radlern, die gerne durch die Fußgängerzone brettern, nicht als Ausrede herangezogen werden. Denn Rücksichtnahme ist nicht etwa abhängig von der Sichtbarkeit eines Schildes, sie ist vielmehr einer der tragenden Pfeiler der Straßenverkehrsordnung. Was schon dadurch zum Ausdruck kommt, dass der Begriff gleich in Paragraph 1 des Regelwerks und damit gleich in den Grundregeln der Verkehrsordnung auftaucht. Da heißt es nämlich wörtlich: „(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“
Tja, liebe Radlerinnen und Radler (zu denen auch ich mich gerne bekenne), das sollten wir alle endlich mal zur Kenntnis nehmen. Es gibt allgemeine Benimmregeln. Die mögen dem einen oder anderen als lästig oder überholt vorkommen, aber sie gelten. Und das ist gut so. Weil sie die Nächst-Schwächeren schützen. Und das sind nun mal die Fußgänger. denen „gehört“ die Fußgängerzone mehr noch als uns Radfahrern. Fußgänger jeden Alters müssen sich per Definition in einer Fußgängerzone nicht nur frei bewegen können, sie sollen sich dort auch wohlfühlen. Weil das die Qualität einer Stadt ausmacht. Kinder sollen sich nicht fürchten müssen, wenn sie mal eben nicht geradeaus laufen, sondern ausscheren. Senioren sollen sich nicht erschrecken, wenn von hinten ein rasanter Radler ankommt. Das alles und noch viel mehr muss in der Stadt möglich sein, zumal in einem Bereich, der in erster Linie für Fußgänger vorgehalten wird.
Radfahrer sind in Fußgängerzonen nur geduldet.
Und die überwiegende Mehrheit der Radfahrer hält sich auch an den Grundsatz des Langsamfahrens. Wenn gleichwohl bei vielen Menschen der Eindruck vorherrscht, dass Radler gleichzusetzen wären mit Kampfradlern, dann liegt das vermutlich an jenen zwei bis drei Prozent, die sich nicht an Spielregeln halten. Das sind nicht selten junge Leute, die es offenbar immer eilig haben, das sind auch Menschen, die mit Lastenrädern Pizzen und andere Lebensmittel ausliefern. Das sind aber auch jene Sturköpfe, die sich einfach nichts vorschreiben lassen wollen. Sie alle – wir alle – sollten uns aber bewusst machen, dass ihr/unser Fehlverhalten auf alle anderen abfärbt.
Wie wär’s, lieber Radler, mit einer Koalition der Vernunft! Wenn wir alle uns verpflichten würden, langsam zu fahren, wenn Trauben von Fußgängern um uns herum sind, Vorsicht walten zu lassen und jene, die sich nicht an Regeln halten, anzusprechen, dann wäre schon viel gewonnen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Stadt, die Radverbände und viele andere da mitmachen würden…
Allerdings muss man davon ausgehen, dass man mit Appellen und Wünschen nicht alle und jeden erreicht. Weshalb es wohl auch die Polizei braucht, um die Raserei zwischen Fußgängern zu bremsen. Ich fahre viel Rad in der Stadt – und bald täglich auch über den Markt. Aber kontrolliert wurde ich persönlich noch nie in der Fußgängerzone. Also, liebe Polizei, wie wär’s mit einer abgestimmten Aktion, seid ihr dabei?
Warum es eine Koalition der Vernunft braucht? Weil wir ansonsten schnurstracks auf eine Diskussion zusteuern, die aus meiner Sicht niemandem hilft. Ich befürchte nämlich, dass es nicht wenige Menschen gibt, die lieber heute als morgen den Markt komplett sperren würden für den Radverkehr. Weil es immer wieder zu Beinaheunfällen kommt. Um uns diese Debatten zu ersparen, sollten wir Radfahrer und all jene, die das Rad als praktisches, unverzichtbares und umweltfreundliches Fortbewegungsmittel sehen, mit dem man schnell und sicher ans Ziel kommt, das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Und offen und ehrlich kommunizieren, was Sache ist.
* Also, lieber Pizzalieferdienste, schreibt euren Fahrern ins Stammbuch, dass sie mit ihren pfeilschnellen E-Rädern schnell zur Gefahr werden können. Und dass das unbedingt vermieden werden muss.
* Also, lieber Fahrradverbände, wie wär’s mit Infokampagnen?
* Also, liebe Stadt, wie wär’s mit einer besseren und pfiffigeren Beschilderung und Infokampagnen?
*Also, liebe Polizei, wie wär’s mit flankierenden Maßnahmen und Informationen?
Sollte zu schaffen sein. Damit wir alle noch lange und gemütlich über den Markt schlendern und radeln können. Und Bayreuth, aus voller Überzeugung, endlich auch zur Fahrradstadt wird, in der Fußgänger und Radfahrer richtig gut miteinander auskommen.
Zur Person
Gert-Dieter Meier ist seit mehr als 35 Jahren Journalist - und vor allem in den Bereichen Kommunalpolitik und Kultur unterwegs. Seit 2020 gehört er als Unabhängiger dem Bayreuther Stadtrat an. Für bayreuth4U beleuchtet Meier in seiner monatlichen Online-Kolumne das Geschehen in Bayreuth.