Michael Mittermeier treibt seit nunmehr fast vier Dekaden sein Unwesen auf den Bühnen der Welt. Sein gesellschaftliches Engagement findet vielerorts Anerkennung, den Schalk trägt er bei aller Ernsthaftigkeit immer im Nacken. Im Vorfeld zu seinem neuen Bühnenprogramm „Flashback – die Rückkehr der Zukunft“, das er am 27. November in der Freiheitshalle Hof vorstellt, sprach er mit Andi Bär über schwere Zeiten, Politik und seinen Uropa Michael Bartmann, der im Programm eine wichtige Rolle spielt.
bayreuth4U: Hallo Herr Mittermeier, Sie kommen gerade aus dem Urlaub zurück. Gut erholt und fit für das neue Programm?
Michael Mittermeier: Aber natürlich! Ich freue mich schon drauf, die ganzen Ideen auf der Bühne auszutesten. Eine Preview-Show wie in Hof ist ja durchaus etwas ganz Besonderes. Da kommen auch Sachen auf die Bühne, die bei der regulären Tour dann nicht mehr unbedingt dabei sind. Sehr spannend so etwas!
bayreuth4U: Wie sehen Sie das Thema Politik und Comedy eigentlich? Darf Comedy alles? Oder muss sie es vielleicht sogar dürfen, weil Kabarett und Comedy immer weiter verschmelzen.
Michael: Ich habe da ja nie unterschieden. Für mich ist das amerikanische Wort Stand-Up-Comedy das Wort für Kabarett. Wir hatten ja nie ein deutsches Wort für Stand-Up-Comedy. Ganz früher hieß es immer Stegreifkomödie, was kompletter Humbug ist. Ich war immer ein Grenzgänger und habe beides gemacht. Ich habe über Politik gesprochen, über Fernsehen, über die Welt. Insofern unterscheide ich da gar nicht groß. Im Kabarett hast du halt den Zwang, dass du über Politik sprechen musst.
bayreuth4U: Ihre Welt war seit jeher Ihr Faible für die amerikanische und englische Stand-Up-Comedy. Woher rührt das eigentlich?
Michael: Bei uns im Ort gab es eine Kleinkunst-Kabarett-Bühne. Da haben großartige Leute gespielt, die ich schon mit 12 Jahren gesehen habe. Die Biermösl-Blosn, Ringsgwandl, viele Kabarettisten und andere Künstler. Ich fand die Kunstform einfach toll. Jemand, der auf der Bühne alleine quatscht und Musik macht. Irgendwann habe ich die Amis für mich entdeckt. Da war ich einfach total weggeblasen. Von solch tollen Leuten wie Eddie Murphy und Steve Martin. Die meisten hierzulande wissen ja gar nicht, dass die Stand-Up-Comedians waren, sondern kennen nur ihre Filme. Ich mochte beide Welten. Ich habe meinen Otto geliebt, aber auch die amerikanischen Comedians.
bayreuth4U: Mittlerweile hast du ja mit dem Lucky Punch Comedy Club im Gasteig in München deinen eigenen Laden und trittst damit so ein bisschen in die Fußstapfen von Didi Hallervordens Wühlmäusen in Berlin und Dieter Hildebrandts Lach- und Schießgesellschaft in München. Wie kamen Sie denn auf diese Idee?
Michael: Es unterscheidet sich natürlich schon von den beiden Läden der Dieters. Es ist wirklich ein reiner Comedyclub wie in Amerika oder England. Die Idee dazu hatte ich schon 2018, als in München – in Berlin gab es ja schon eine große „Open-Mic“-Szene – eine tolle Szene wuchs. Da habe ich dann oft gespielt und mir gedacht, dass ich eigentlich einen Club aufmachen müsste. Letztes Jahr kam das wieder hoch, da gab es die Möglichkeit, einen tollen Raum zu kriegen. Dann habe ich eingeloggt ohne groß nachzudenken. Ich habe erst zugesagt und dann in den Wochen und Monaten danach mit meiner Frau gelernt, wie man einen solchen Club macht. Das ist ganz anders als noch vor 15 Jahren. Wir haben keine 15 Mitarbeiter. Die Comedians machen meist mehrere Jobs. Der Host kümmert sich um die Technik, passt auf, das alles passt. So geht das Geld halt auch mehr an die Comedians. Und das ist ja das Wichtige, dass die Jungen mit der Comedy auch ein bisschen Geld verdienen und einen Plan machen können. Das ist so unser Hauptziel. Die Entwicklung des Clubs ist krass, nach einem Jahr haben wir mit dem Lucky Punch-Club unsere eigene Fernsehsendung. Die sechs Staffeln sind alle in der Mediathek zu sehen. Es ist wirklich großartig. Und auf das Line-Up bin ich sehr, sehr stolz. Da ist keiner dabei, den ich nicht gut finde. Auch die ganz neuen, besten aus der Szene, wie Alex Stoldt oder Fred Costea. Großartige Leute. Das inspiriert mich auch, mit denen aufzutreten. Ich war gestern dort, bin es morgen wieder. Das geile ist, dass die mich auch akzeptieren, da ich scheinbar noch lustig bin.
bayreuth4U: Für Sie war früher Otto oder Hildebrandt die Nummer, für die jungen Künstlerinnen und Künstler heute sind es halt Mittermeier und wie sie alle heißen.
Michael: Die meisten von denen kennen mich tatsächlich, seit sie Kinder sind. Die Eltern haben ihnen die CDs gegeben. Die heute hier auftreten, sind oftmals schon die dritte Generation. Vor einigen Tagen war ich bei einer Mixed Night in der Barclay Arena in Hamburg vor ein paar Tausend Leuten. Da waren Comedians wie Tutty Tran. Der war ein kleiner Bub, als er mich im Fernsehen gesehen hat. Es ist schon schön, dass man dann zusammen auf der Bühne steht. Er ist einer derer, die seine Witze mit Respekt und nicht mit Hass darbietet. Shitstorms kriegst du immer. Das hatte ich früher auch schon. Da waren es halt dann Briefe ans ZDF und nicht Facebook und Co.
bayreuth4U: Auch ein spannendes Thema. Geht so eine – nennen wir es Kritik – eigentlich spurlos an einem vorbei oder geht das an die Nieren?
Michael: Ich nehme das schon einmal mit. Auf Facebook oder Instagram, wenn du eine politische Aktion machst: Dann hast du ja Tausende, die dich beschimpfen. Aufs wüsteste. Beschimpfungen, Leute die mir oder meiner Familie den Tod wünschen. Es ist teilweise wirklich heftig. Während Corona habe ich wirklich zeitweise tausende Kommentare beantwortet. Es bringt nichts. Im Gegenteil, es wird immer schlimmer. Heute mache ich das nur noch vereinzelt. Solange, bis die nicht mehr geschrieben haben. Ich bin ganz ehrlich: Inzwischen blocke ich Hunderte heraus. Typisch für die, die mich politisch scheiße finden, ist die Aussage, dass ich nicht mehr witzig wäre. Wenn ich die blockiere, dann tue ich ja quasi eine gute Tat. Die kriegen nichts mehr angeboten, müssen von mir nichts mehr anschauen. Das ist etwas total Schönes. Eigentlich müssten die mir ja Geld zahlen. Das wäre schön, würde jeder von denen einen Fünfer überweisen.
bayreuth4U: Kurt Krömer, mit dem Sie ja die legendäre vierte Staffel von Bullys Format „LOL: Last One Laughing“ gewonnen haben, hat sich vor einigen Jahren geoutet und öffentlich gemacht, dass er an Depressionen leidet. Jetzt sind Sie jemand, der das Thema Sternenkinder öffentlich machte, während Corona etwas heruntergezogen wurde. Gab es bei Ihnen diese Gefahr auch?
Michael: Die meisten von uns haben ihre Therapie hinter sich. Da bilde ich auch keine Ausnahme. Wenn du vier Kinder verlierst, vier Totgeburten, ist das nichts, was du alleine mal eben so aufarbeitest. Da bist du zum einen gefordert in der Beziehung. Da sind wir sehr freudig und stolz, dass wir das zu zweit irgendwie hingekriegt haben, es miteinander verarbeitet haben. Auch wenn du das nie ganz verarbeitet bekommst. Dass wir dann später noch eine Tochter bekommen haben, das ist ein Wunder. Ich verfolge ja interessiert die amerikanische Politik. Wenn ich höre, dass Trumps Vizepräsident sagt, dass kinderlose Amerikaner nie vollen Einsatz für ihr Heimatland bringen können. Puh. Das sitze ich und sage einfach nur: Du Motherfucker! Du hast gar keine Ahnung, was es heißt, kinderlos zu sein, weil du keine Kinder kriegst, eines nach dem anderen stirbt, bevor es geboren wird. Auch in der AfD gibt es solche Diskussionen. Mich kotzt das immer so an. Mir hat jemand mal geschrieben: Diese grünen Karriereschlampen, die bis sie 40 Jahre alt sind, erst einmal an sich denken und sich dann später beschweren. Die haben keine Ahnung! Ich kenne so viele, die es zehn Jahre lang probiert haben, Kinder zu kriegen. Das ist nicht oft ein selbstgewähltes Schicksal! Und wenn jemand keine Kinder will – dann darf ganz ehrlich jeder für sich diese Entscheidung treffen. So eine Diskussion zu führen, diese rechte, konservative Politik, in der die Familie oft glorifiziert wird – es gibt immer ein Für und Wider. Macht einfach Politik für alle. Nicht nur „die sind besser weil oder die“ – wer soll so etwas entscheiden? Also ich sicherlich nicht.
bayreuth4U: Nach diesen Themen den Bogen zu ihrem aktuellen Programm zu spannen, ist wirklich nicht einfach. Aber versuchen wir es. „Flashback – die Rückkehr der Zukunft“ heißt es. Schaut man sich die Lage derzeit an, könnte man an mancher Stelle fast meinen, einige Leute wären im Zeitalter der Neandertaler hängengeblieben
Michael: Da geht was (lacht). Auch Fred Feuerstein war ja weiter vorne als alle anderen in der Steinzeit.
bayreuth4U: Was ist denn so von dem Programm zu erwarten? Ich habe mir den Teaser angesehen. Ihr Urgroßvater war Erfinder und hat eine Zeitmaschine gebaut. Wie so oft im Leben war der Akku leer.
Michael: Die ist einfach so rumgestanden. Er war echt ein crazy Typ! Den habe ich noch kennengelernt. Er war Erfinder, zum Beispiel. Er wollte in den 20er-Jahren eine solarbetriebene Heizung bauen. So ein Typ war das. Er hat eine Zeitmaschine entwickelt. Das war Anfang des Jahrhunderts, als er in Ägypten war. Er ist 1913 nach Ägypten ausgewandert und hat da begonnen, eine Zeitmaschine zu entwickeln. Er wurde dann unterbrochen durch den ersten Weltkrieg. Irgendwann stand das Teil in unserem Keller. Keiner wusste, was es ist. Eine Wärmepumpe oder so haben alle gedacht. Ich bin dann Doc Brown-mäßig da rangegangen, in den 80er-Jahren ist man ja noch mit dem Auto in die Zukunft gereist, jetzt ist die Maschine halt etwas komfortabler.
bayreuth4U: Ich finde das ja unheimlich charmant. Wäre es nicht von Michael Mittermeier, dann könnte man die Geschichte eins-zu-eins sogar glauben!
Michael: (todernst): Das ist ja auch eins-zu-eins so. Mein Opa hat auch einen ewig blutenden Jesus erfunden. Eine Jesusfigur, die einige Jahrzehnte geblutet hat. Das sei an dieser Stelle nur mal angemerkt. Da ist die Zeitmaschine ja nicht mehr weit weg. Ich kann und darf nur nicht allzu viel sagen aus der Zukunft. Du musst da ja immer aufpassen, sonst veränderst du das Raum-Zeit-Kontinuum und dann löse ich mich am Ende noch auf, das will ich natürlich nicht. Ich habe ja noch etwas zu tun.
bayreuth4U: Das wäre doof! Und was erwartet die Zuhörerschaft von der Zukunft des Michael Mittermeier?
Michael: Zumindest können sie erwarten, dass es eine geile Show wird! Ich bin gerade in der Tryout-Phase. Und es ist sehr, sehr lustig. Es ist bei mir viel passiert. Ich war beim Papst. Wenn mir einer vor einem Jahr das gesagt hätte: Du wirst mit Chris Rock, Whoopie Goldberg und all den anderen beim Papst sein und ihn zum lachen bringen. Das ist das Endgame. Mein erster Gedanke war sofort, dass ich ihn zum lachen bringen will. Wenn er uns schon alle einlädt, die ganzen Comedians, dann ist das mein Job. Und die wahrscheinlich größte Herausforderung. Bei allen die da standen. Wir deutschsprachigen, Hazel Brugger war da, Torsten Sträter, waren eher die nicht so bekannten im Gegensatz zu den US-Stars. Der Mittermeier hat es geschafft, es hat funktioniert. Der Papst hat gelacht. Wie es funktioniert hat, das kann man dann im Programm sehen. Für das muss ich einmal kurz in die Zukunft reisen, und dann zurück, um das zu stemmen. Ich freue mich wirklich sehr auf die Vorstellung in Hof! Previews sind eine unfassbar schöne und wilde Zeit. So etwas entwickelt sich ja immer weiter. Das wird sehr geil!
Michael Mittermeier ist am 27.11. in der Freiheitshalle Hof zu Gast. Tickets gibt’s unter www.motion.gmbh und an allen bekannten Vorverkaufsstellen.
Interview: Andi Bär / Foto: Olaf Heine