Die Sportfreunde Stiller zählen zu den erfolgreichsten deutschen Bands, doch über sechs Jahre lang war es still um das Indie-Rock-Trio, das eine Kreativpause einlegte – bis jetzt. Im November erscheint das achte Album der „Sportis“, das sie im Herbst live auf die Bühnen der Republik bringen. Dabei kommen sie am 30. September auch für ein Clubkonzert ins ZENTRUM Bayreuth. Wir sprachen im Vorfeld mit Bassist Rüdiger „Rüde“ Linhof über die Kreativpause der Band und positive Erinnerungen an Bayreuth.
bayreuth4U: Am 23. April habt ihr euch nach sechsjähriger Pause live zurückgemeldet, euer Konzert in Landshut war innerhalb einer Minute ausverkauft. Wie hat es sich angefühlt, wieder auf der Bühne zu stehen?
Rüde: Es hatte etwas Unwirkliches und gleichzeitig sehr Vertrautes. Es hat sich angefühlt wie nach einer achtstündigen Rennradtour durchs hochsommerliche Brandenburg ein eiskaltes Spezi auf Ex zu trinken, um danach eine halbminütige Rachenflatulenz abzublasen und seine umstehenden Freunde dabei zu beobachten, wie sie sich vor Lachen die Bäuche halten. Das Gefühl in etwa hatte ich dabei. Wer das nicht kennt, sollte es unbedingt nachmachen. Dann weiss man, wie es sich anfühlt nach fünfjähriger Pause in Landshut auf der Bühne zu stehen.
bayreuth4U: Ein sechsjähriges Sabbatical ist ja nicht ohne. Was habt ihr in der Zeit so alles getrieben, damit keine Langeweile aufkommt?
Rüde: Ich habe mit vielen Menschen zusammen gearbeitet. Nach Projekten gesucht, die mich interessieren, mich um meine Familie gekümmert. Ich hab auch mein Zeug gepackt und war unterwegs. Lockdown und hundsverreckte sowie unsägliche Homeschool war auch essentieller Bestandteil dieser Zeit.
bayreuth4U: Stimmt, da war ja noch was. Wie habt ihr die Corona-Zeit als Band erlebt und wie haben diese Erfahrungen euer Comeback beeinflusst?
Rüde: In Zeiten der Pandemie war eine Sportfreundeprobe oder gar ein Probewochenende eher eine Befreiung. Zusammen Musik zu machen war ein Privileg. Ich denke, dass diese Zeit vielleicht das Gefühl gestärkt hat, dass es etwas Wunderbares und Besonderes ist, miteinander eine Band zu sein. Es war ein anderes Zusammenarbeiten. Ob dadurch etwas beschleunigt wurde, kann ich nicht sagen. Wir haben davor drei Jahre nichts gemacht und dann zwei Jahre gearbeitet. Insgesamt waren das fünf Jahre. Jede Platte hat ihren eigenen Weg. Dieser war schon ein bisschen länger.
bayreuth4U: Zumindest stellt ihr jetzt in eurem ersten neuen Song fest: „I’m Alright!“. In Zeiten von Krieg, Corona und Inflation eine gezielte Dosis Dopamin?
Rüde: Das Lied ist als allerster Song des Albums „Jeder nur ein X“ (Anm. d. Red.: VÖ 11.11.22) aus einem sehr lustigen Jam entstanden. Er hatte dadurch für uns so gute Vibes. So gute Erinnerungen kleben an seinen Sohlen. Irgendwie hat es sich einfach richtig angefühlt den rauszubringen. Gute Feelings muss man auch in diesen Zeiten haben können. Klar, aber ablenken von den Dingen, die sonst passieren will ich mich nur temporär und dazu kann zum Beispiel ein Song beitragen. Am Besten aber würde ich mich fühlen, wenn die Ukraine in die Lage versetzt werden würde, den brutalen Angriff auf ihre Frauen, Kinder und Existenz abzuwehren. Das eine ist Unterhaltung, das andere ist Krieg.
bayreuth4U: Bei „Jeder nur ein X“ muss man sofort an „Das Leben des Brian“ denken. Was verbindet euch mit Monty Python?
Rüde: Der Film „Das Leben des Brian“ ist ein großartiger Film. Ich habe ihn in meinem Leben bestimmt schon dreißig mal gesehen. Ich bin bei Filmen wie „Wunderbare Welt der Schwerkraft“ schon lachend vom Kinosessel gefallen und habe mich in einer krampfartigen Nahtoderfahrung zwischen den Stühlen gewälzt. Wenn das eigene Werk solche Zustände auslösen kann, hat man die Erleuchtung als Künstler erreicht. Ausserdem sind die politischen und sozialen Bezüge und ihre absurden Verwebungen in „Das Leben des Brian“ auch nach 50 Jahren noch so sehr aktuell. Faszinierend und irgendwie auch schockierend zugleich, wie sich einfach nichts zu ändern scheint.
bayreuth4U: Eure neue Single „Spektakulär“ ist Titelsong der European Championships, auch für die WM 2006 hattet ihr mit „54, 74, 90, 2006“ ja einen unvergesslichen Song geschrieben. Würdet ihr zu einer WM wie der in Qatar auch einen Song beisteuern und wie seht ihr als Fußballfans dieses Turnier?
Rüde: Generell finde ich die Idee eines weltweiten sportlichen Großereignisses sehr schön. Wie sie allerdings umgesetzt werden – menschlich brutal und ökologisch verwerflich –, das geht leider gar nicht. Mir tut es leid, dass für den Bau der Stadien viele Hundert Menschen gestorben sein sollen. Dass das überhaupt möglich ist? Es geht um Fußball. Dafür darf in keinster Weise irgendjemand sein Leben dafür lassen müssen. Schon gar nicht um ein Stadion in irgendeine Wüste zu pflanzen.
bayreuth4U: Vom an euren ehemaligen Fußballlehrer angelehnten Bandnamen bis zur aktuellen „Tour des Monats“ ziehen sich Fußball-Anspielungen quer durch eure Karriere. Wäre die Bühne ein Spielfeld, wie würdet ihr eure Positionen und taktischen Aufgaben beschreiben?
Rüde: Kurzpassspiel zwischen Rüde, Flo und Peter. Das Zeug muss nach vorne gespielt werden. Ab und zu irgendeine Banane quer über das Feld auf den Fuß und einlochen. Flo schiesst am weitesten. Peter am schlauesten. Rüde zimmert den Ball irgendwo hin. Ist aber auch irgendwie geil. Bass, Schlagzeug und Gitarre. Ist irgendwie auch ein bischen wie 1860. Warum? Keine Ahnung.
bayreuth4U: Euer letzter Auftritt in Bayreuth ist sage und schreibe 22 Jahre her, damals wart ihr in den Anfangstagen eurer Karriere Headliner beim Uniopenair. Womit verbindet ihr Bayreuth sonst noch?
Rüde: Bayreuth ist eine sehr schöne Stadt. Das Uni-Festival war der Hammer. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Vor allem aber erinnere ich mich daran, dass wir im Glashaus unser allererstes ausverkauftes Konzert hatten. Ich glaube da kamen 180 Leute und wir fühlten uns groß wie Oasis. Danach sind wir ordentlich einen Trinken gegangen.
Die Sportfreunde Stiller kommen am 30. September für ein Clubkonzert nach Bayreuth ins ZENTRUM. Resttickets gibt’s unter www.motion.gmbh und im Ticketshop der Band.
Foto: Ingo Pertramer