Suche
Close this search box.

Wenn Bürger zu Gesellschaftern werden

Es tut sich was in Bayreuth. Eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern will nicht mehr nur über den Klimawandel reden, sondern selbst die Weichen stellen wollen. Wissenschaftler, Techniker, ganz normale Bürgerinnen und Bürger, die nicht länger nur abhängig sein wollen von irgendwelchen Konzernen, sondern selbst einen aktiven Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort leisten wollen, planen eine Energiegenossenschaft, die für alle Bürgerinnen und Bürger aus Bayreuth offen sein soll. Eine Genossenschaft, die zum einen demokratisch, dezentral und 100-prozentig erneuerbar ist, zum anderen unabhängig von rein profitorientierten Energiekonzernen, die mit der Region außer den zu erzielenden Einnahmen nichts am Hut haben.

Bürgerenergie als Treiber

Mit dem Ziel, einen aktiven Beitrag zur Energiewende vor Ort zu leisten, stehen die Bayreuther Genossenschaftsgründer in spe übrigens nicht allein auf weiter Flur. Bundesweit gibt es schon mehr als 1.000 Bürgerenergiegenossenschaften, die Solaranlagen auf Dächer bauen bzw. gemeinsam finanzieren, Ökostrom vertreiben, E-Carsharingprojekte unterstützen oder sich auch an der Planung beziehungsweise am Betrieb von Windrädern beteiligen. Zwischen Nordsee und Bodensee finden sich Bürgerinnen und Bürger zusammen, um ihre Energieversorgung selbst in die Hand nehmen und sinnvolle Projekte vor der eigenen Haustür anzustoßen. Auf der Homepage der 2014 gegründeten Landesvereinigung Bürgerenergie Bayern, in der rund 250 bayerische Energiegenossenschaften, Stadtwerke oder andere Gesellschaften mitwirken, die dezentrale und regenerative Bürgerenergieprojekte betreiben, wird das Selbstverständnis der neuen Treiber der Energiewende wie folgt formuliert: „Bürgerenergie ist der demokratische Motor der Energiewende“.

Erfolgsmodelle

Dass es sich dabei nicht nur um platte Werbesprüche handelt, zeigen diese Fakten, die die Landesvereinigung im Internet auch auflistet:
+ Fast jede zweite Kilowattstunde erneuerbarer Energie in Bayern kommt aus Bürgerenergieanlagen
+ Derzeit erzeugen rund 430.000 PV-Anlagen rund 8.5 Mio. kWh Strom für rund 2,3 Mio. Haushalte.
+ 3.900 Biomasse-Anlagen erzeugen derzeit 7.334 Mio. kWh und versorgen damit 2 Millionen Haushalte.
+ Alle Wasserkraftwerke Bayerns erzeugen 14 Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr.

Das Positiv-Beispiel: Pfaffenhofen

Wie eine solche Energiegenossenschaft funktioniert, kann man am Beispiel Pfaffenhofen sehen. Dort hat sich bereits im Februar 2012 eine Bürgerenergiegenossenschaft gegründet. In der Zeit vor der eigentlichen Gründung wurde eine Satzung entwickelt, ein ausführlicher Businessplan geschrieben, wurden die Strukturen der Gesellschaft festgelegt. Das erfordert viel Knowhow, Präzision und Hartnäckigkeit. Denn um als Genossenschaft anerkannt zu werden, muss man erst einmal liefern. Zahlen, Fakten, Namen. Erst wenn alles auf dem Tisch liegt und alle Angaben dem Genossenschaftsgesetz entsprechend, erhält man von einem Prüfverband, der zwingend eingeschaltet werden muss, grünes Licht für die Arbeit.

Jeder Gesellschafter hat eine Stimme

Bürgergenossenschaften haben in aller Regel mindestens die folgende Organe: einen Vorstand, einen Aufsichtsrat und die Generalversammlung, in dem jeder Genosse eine Stimme hat. Und natürlich müssen auch die Ziele der Genossenschaften bei der Vereinsgründung klar und deutlich beschrieben werden. Und das sind am Beispiel Pfaffenhofen folgende Unternehmensziele (Zitat aus der Vereinssatzung), die sich übrigens weitgehend decken mit denen anderer Genossenschaften:
„Gegenstand des Unternehmens ist die Produktion und der Vertrieb von Erneuerbaren Energien, insbesondere

  1. die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien,
    b) der Absatz der gewonnenen / bezogenen Energie in Form von Strom und / oder Wärme,
    c) die Beteiligung an Anlagen zur Erzeugung und Verteilung regenerativer Energien und KWK-Anlagen,
    d) die Steigerung von Energieeffizienz und Förderung von Energieeinsparung (Contracting) sowie
    e) die Beratung und Planung in Fragen der regenerativen Energiegewinnung einschließlich der Information von Mitgliedern und Dritten sowie umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit.

Projektförderung mit Dividende

Und was macht es nun interessant für Bürgerinnen und Bürger, eigenes Geld in eine solche Genossenschaft zu investieren? Zunächst und vor allem der Umstand, dass man selbst etwas bewegen, verändern, anstoßen kann. Und zwar in der eigenen Stadt, also vor der Haustür. So wurden deutschland- und bayernweit schon Photovoltaikanlagen auf Schuldächern, öffentlichen Gebäuden oder Stadien realisiert, Bürgerwindradprojekte umgesetzt, Bürger-Kraftwerke entwickelt oder auch Bürger-Ladestationen ans Netz gebracht. In Pfaffenhofen kostet ein Genossenschaftsanteil 100 Euro; pro Mitglied können bis zu 50 Anteile gezeichnet werden. Aber man kann sich nicht nur an der Gesellschaft selbst, sondern zusätzlich auch an einzelnen Projekten beteiligen, wenn man das will und sein Geld dazu längerfristig anlegen will. In Pfaffenhofen sind/waren das etwa Windräder, Photovoltaikanlagen, Solar-Carports oder Biogasanlagen. Für die Einlagen ab 1000 Euro winken den Energie-Genossen dort jährliche Renditen zwischen 3 und 6 Prozent.

Aus der Region, für die Region

Was solche Bürgergenossenschaften auszeichnet ist der Umstand, dass nicht nur ein neues Bewusstsein für die Notwendigkeit der Energiewende entsteht, sondern dass die Projekte immer auch auf den jeweiligen Standort einzahlen. Bürgerinnen und Bürger werden zu Netzwerkern, die durch ihre Investitionen dafür sorgen, dass der Anteil erneuerbarer Energien in der jeweiligen Kommune wächst. Insbesondere in einem Bereich, der nach Engagement schreit. Den auch in der Stadt Bayreuth wird nur ein Bruchteil der vorhandenen Dachflächen, die sich für eine Photovoltaikanlage eignen, werden bislang genutzt. Wenn Anlagen und Projekt von Handwerkern vor Ort gebaut und entwickelt werden, sichert das Arbeitsplätze und bindet Steuern/Abgaben. Und auch die Renditen, die eine Genossenschaft an ihre Mitglieder bezahlt, bleiben meist in der Region.

Bayteg – ein Modell für die Region

Und wie weit ist nun die Bayreuther Bürgerenergiegenossenschaft, die den Namen Bayteg (Bayreuther Technologie- und Energiegenossenschaft) tragen und auch den Bürgerinnen und Bürgern aus dem Landkreis offenstehen soll? Aktuell wird an den Details der Satzung gefeilt und es laufen erste Überlegungen, wie der Gründungsvorstand besetzt werden könnte. Und die zukünftigen Genossenschafter strecken auch schon die Fühler aus, wo beispielsweise Photovoltainkanlagen sinnvoll realisiert werden könnten. Die Bayreuther Klimamanagerin Gesa Thomas gehört zum Kreis derer, die aktuell – als Privatperson – den Aufbau des Bürgerunternehmens vorbereiten. Das Team, dem auch der Unternehmer Bastian Raithel sowie Lehrkräfte der Universität angehört, freut sich über weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die am Aufbau der Bürgergenossenschaft mitwirken und ihr (technisches) Knowhow einbringen wollen. Am einfachsten ist die Kontaktaufnahme über die E-Mail-Adresse info@bayteg.de. Hinweis der Genossenschafts-Gründer: Für konkrete Anfragen zur Genossenschaft (Gründungsdaten, Höhe der Einlagen, Mitgliedschaften, Projekte etc.) ist es aber aktuell noch zu früh.

Wenn viele wollen…

Die große Chance, die ein solches Genossenschaftsmodell im Bereich erneuerbare Energien bietet, besteht darin, dass Menschen zusammenfinden, die vor Ort, in ihrem Einflussbereich, etwas bewegen, verändern, verbessern wollen. Das schafft nicht nur ein neues Gemeinschaftsgefühl, sondern unterstützt auch die Stadt und den Landkreis bei dem Bemühen, energieneutral zu werden. Das reduziert nicht nur die CO2-Belastung in erheblichem Umfang, sondern spart ggf. auch der Kommune Geld, das sie für andere Projekte sinnvoll einsetzen kann. Weshalb es Sinn macht ernsthaft über die Vorteile solcher Projekte, die buchstäblich auf unser Lebensumfeld einzahlen, nachzudenken, sobald alle Fakten auf dem Tisch liegen. Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der als Gründer der genossenschaftlichen Bewegung in Deutschland und damit sozusagen als Urvater des Crowdfunding gilt, hat zeit seines Lebens an die Kraft der Genossenschaften geglaubt. Was auch bei diesem Zitat deutlich wird: Genossenschaften sind immer das, was menschliche Einsicht, geistige Kraft und persönlicher Mut aus ihnen machen!“ Raiffeisen war sich selbst schon vor 150 Jahren sicher: „Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.“

von Gert Dieter Meier

Ähnliche Beiträge

Advent im Gassenviertel

Am 7. und 8. Dezember lädt der „Advent im Gassenviertel“ rund um die Stadtkirche zu einer besonderen Vorweihnachtsaktion ein. Über 20 Marktstände bieten handgefertigte Produkte und regionale Spezialitäten, begleitet von

» weiterlesen