Was es uns bringt, wenn Bayreuth Smart City wird und warum wir uns diesem Prozess nicht verweigern sollten
Was regt die Bayreuther auf? Na klar, das sündteure Klohäuschen am Festspielhaus. Die Frage, ob es ein Hochhaus im Bahnhofumfeld braucht. Die Tatsache, dass die Sanierung der Stadthalle zum Friedrichsforum statt einstmals prognostizierter 40 Millionen jetzt 85 Millionen Euro kosten soll. Und natürlich Corona, Lockdown & Co. Das sind Themen, die am Küchentisch, beim Friseur oder – wenn sie denn geöffnet hätten – an Stammtischen diskutiert werden. Das Thema Digitalisierung dagegen hat kaum Aufreger-Qualitäten. Dabei ist die Frage, wie sich Bayreuth digital aufstellt und definiert, von herausragender Bedeutung. Denn nur wer Digitalisierung kann, kann auch Zukunft.
Zäher Prozess
Deshalb war es wichtig, dass die Stadt in den zurückliegenden Wochen und Monaten die Bewerbung für das Förderprogramm Smart Cities, das der Bund aufgelegt hat, gründlich vorbereitet hat. Insbesondere der 2. Bürgermeister Andreas Zippel hat sich dieses Themas angenommen und gemeinsam mit der Verwaltung und in enger Abstimmung mit Oberbürgermeister Thomas Ebersberger eine schlüssige Bewerbung erarbeitet. Ein solcher Prozess ist nicht eben sexy und bedeutet harte (Überzeugungs-)Arbeit. Und selbst wenn diese Arbeit gut gemacht wurde, steht noch lange nicht fest, ob Bayreuth am Ende in das Programm aufgenommen wird. Das entscheidet sich erst in ein paar Monaten, wenn alle Konzepte auf Bundesebene ausgewertet sind. Der Ansturm auf die Fördermillionen des Bundes ist gewaltig, die Konkurrenz der Städte groß. Denn viele, wenn nicht gar die meisten, haben zwar die Notwendigkeit der Digitalisierung stets vollmundig beschworen, den Worten freilich wenig Taten folgen lassen. Weshalb wir noch immer in einer reichlich analogen Welt leben. Ausnahmen bestätigen diese Regel. So hat unsere Nachbarstadt Bamberg den digitalen Ritterschlag schon Ende vergangenen Jahres erhalten hat. Was das konkret bedeutet? Dass unsere Nachbarn in den kommenden sieben Jahren 17,5 Millionen Euro einsetzen können, um die Welterbestadt in einen Leuchtturm der Digitalisierung zu verwandeln. 15,75 Millionen Euro schießt das Bundesinnenministerium zu, der Bamberger Eigenanteil liegt bei nur 10 Prozent. Die Bayreuther Bewerbung liegt in einer vergleichbaren Größenordnung: Es geht um insgesamt 16 Millionen Euro.
Kultur und mehr
Bayreuth hat seine Bewerbung unter das Motto „Bühne frei für ein smARTes Bayreuth – Gemeinsam in die Zukunft“ gestellt. Ein kultureller Schwerpunkt ist naheliegend, weil man von der Annahme ausgehen kann, dass bei den Entscheidern Bayreuth vor allem als Kulturstadt bekannt sein dürfte. Und allein diese Bekanntheit in Kombination mit der Wertschätzung für das Kulturhighlight Bayreuther Festspiele könnte ein wichtiges Pfund sein, um sich gegen eine starke nationale Konkurrenz durchzusetzen. Auch wenn es bei der Bewerbung längst nicht „nur“ um Kultur geht, sondern auch um die Bereiche, Wirtschaft, Tourismus, Bildung, Stadtentwicklung, Mobilität oder auch Nachhaltigkeit.
Bürger im Boot
Bis dahin hört sich das alles noch reichlich theoretisch an. Doch am Ende geht es um sehr konkrete Dinge, Prozesse und Neuerungen, die Bayreuth verändern werden. Was allein schon daher rührt, dass die jetzt vom Stadtrat beschlossene Bewerbung nicht alleine in irgendwelchen Amtsstuben entstanden ist, sondern aus einem partizipativen Prozess heraus. Das bedeutet, dass in einer Reihe von Onlineforen Themen entwickelt wurden. Und in diesen Foren saßen Bürgerinnen und Bürger, Kulturschaffende und Stadträte, Wissenschaftler und Laien. Leider nicht immer in großer Zahl, aber dafür mit großer Leidenschaft brachten sie sich und ihre Ideen ein. Herausgekommen ist ein Paket, das eine Fülle von bürgerrelevanten Aspekten bündelt – von der Integration über die Mobilität bis zum nachhaltigen Einzelhandel, von der Stadtplanung über Kulturfragen bis zur Datenvernetzung. Zudem soll Verwaltung bürgerfreundlicher, effektiver, weniger kompliziert gestaltet werden. Es gibt Kulturprojekte, bei der virtuelle Realität zum Einsatz kommt, es gibt „spielerische“ Ansätze, es sollen virtuelle Bildungszentren geschaffen werden. Noch sind das alles nur Ideen. Ideen, die aber im Laufe eines Jahres nach einem Zuschlag konkretisiert und in den Folgejahren umgesetzt werden sollen.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck
Und wenn nun einige Menschen die Sorge umtreiben sollte, dass bei allem Drang zum Digitalen das Menschliche, das Reale, das „Analoge“ auf der Strecke bleiben könnte, dann kann man diese berechtigte Sorge mit einem Satz aus der Smart-City-Charta ein stückweit entkräften. Darin heißt es nämlich wörtlich: „Niemand soll zur Nutzung digitaler Strukturen gezwungen werden. Kommunen müssen ihren Einwohnerinnen und Einwohnern und Unternehmen ermöglichen, auch auf nicht-digitalem Wege mit ihnen zu kommunizieren.“ Klar ist aber auch, dass es natürlich das Ziel auch dieses Programmes ist, die Aufgeschlossenheit der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der digitalen Welt zu vergrößern. Und noch ein Zitat aus der Charta: „Die Digitalisierung von Kommunen ist kein Selbstzweck. Sie soll sowohl im sozialen, ökologischen wie auch ökonomischen Sinne nachhaltigen Zielen dienen und darf diesen nicht entgegenwirken. Kommunen sollen die Digitalisierung dazu nutzen, ihre Entwicklung sozial verträglich, gerecht, energie- und ressourceneffizient zu gestalten. Eine solche, bewusst gesteuerte digitale Transformation sollte lokale Wertschöpfung, Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Lebensstile unterstützen. Die Smart City erweitert das Instrumentarium der nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung um technische Komponenten, sodass die Gesellschaft, der Mensch und seine Lebensgrundlagen auch zukünftig im Mittelpunkt stehen.“
Mitreden, mitentscheiden
Der Arbeitsauftrag an die Kommunen besteht also darin, mit Hilfe der partizipativ entwickelten Digitalisierungsziele zum einen Verwaltung bürgerfreundlicher zu machen, zum anderen „politische Entscheidungen und ihre Hintergründe aktiv und transparent zu kommunizieren, z.B. durch Ratsinformationssysteme oder die Publikation von Haushaltsdaten“. Je mehr Daten vorhanden sind, je besser diese vermittelt werden, desto mehr Menschen können und werden am Ende mitreden und mitentscheiden. So verstanden hat dieser Prozess ein Ziel, das uns allen am Herzen liegen sollte: er soll Politik und Demokratie stärken, Entfremdung, Populismus und Polarisierung entgegenwirken. Und der zunehmenden Zahl der Verschwörungstheoretikern das Handwerk legen.
Es ist unsere Zukunft
Es geht also, blumig gesprochen, um eine bessere Welt. Die nicht irgendwer irgendwo für uns bastelt. Und für die wir am Ende auch nicht „die da oben“ oder sonst wen verantwortlich machen können. Sondern für die die wir uns schon alle selbst ins Zeug legen und Verantwortung übernehmen müssen. Indem wir uns einbringen. Indem wir uns engagieren. Indem wir selbst die Prioritäten setzen, wenn wir denn schon dazu aufgefordert und eingeladen werden. Auch wenn das mühsam ist. Gesellschaft und gesellschaftliche Veränderung gestaltet unsere Zukunft. Und geht uns alle an. Hier und jetzt.
Hier gibt es weitere Informationen:
Zur Person
Gert-Dieter Meier (64) ist seit mehr als 35 Jahren Journalist – vor allem im Bereich Kommunalpolitik und Kultur – unterwegs. Seit 1. Mai gehört er als Unabhängiger dem Bayreuther Stadtrat an. Für bayreuth4U beleuchtet Meier in seiner monatlichen Kolumne das Geschehen in Bayreuth.